Lautschrift
In diesem Abschnitt erfolgt eine phonetische Beschreibung der Frankfurter Laute, insbesondere im Vergleich mit dem Hochdeutschen.
Untersucht wird das sogenannte Lautinventar: Welche Laute hatte das Frankfurterische? Und: Wie spricht bzw. sprach man sie aus? Wie unterscheiden sie sich von den hochdeutschen Lauten? Vorerst wird noch keine phonologische Erklärung geliefert, also warum welches Wort einen gegebenenfalls vom Hochdeutschen abweichenden Klang hat. Das erfolgt dann im im Nachgang weiter unten auf dieser Seite.
Die wissenschaftliche Lautschrift
Um die Merkmale des Frankfurterischen deutlich beschreiben zu können, bedarf es einer sogenannten Lautschrift, die die Aussprache der Wörter sauber umschreibt bzw. bezeichnet. Hier soll die in der Wissenschaft bzw. Phonetik übliche Lautschrift der International Phonetic Association (IPA) verwendet werden, die für das Frankfurterische angepasst wurde [IPA 1999; Keil 2017, S. S. 268-270]. In der präzisen IPA-Form beschreibt man z.B. das deutsche Verb sagen hochsprachlich mit [zaːgən], wobei das [z] für das stimmhafte S steht, das [ə] schwaches unbetontes E repräsentiert und das [aː] beschreibt das lange neutrale A und der Doppelpunkt [ː] zeigt dessen Vokallänge an.
Diese Webseite dokumentiert somit zum einen die Frankfurter Aussprache in der modernen phonetischen Notationen der IPA als auch in der - insbesondere in der deutschen Dialektologie üblichen - Notation der Teuthonista, so wie sie auch Rauh 1921 in seiner Dissertation verwendet hat. Die IPA-Notation der Belege von Rauh ist rückerschlossen.
Die wissenschaftlichen Lautschriften sind im farblich voneinander getrennt, so etwa IPA [ɑks] und Teuthonista ‹akś› für das Wort Achse.
Die einfache Lautumschrift
Zum anderen bietet es sich aber auch an, eine allgemeinverständliche und einfache Umschrift anzusetzen, die an die hochdeutsche Aussprache und Schrift angelehnt ist. Hier würden wir für sagen einfach saagen schreiben, wobei mit der Doppel-A angezeigt wird, dass das A lang ist (ein kurzes A würde entsprechend durch Verdopplung des nachfolgenden Konsonanten markiert werden, so etwa sakk für Sack – diese Schreibung kann auch an ungewohnter Stelle auftreten, so z. B. in appfel für Apfel mit kurzem A).
Bei den Konsonantengruppen NG, CH und SCH ist insbesondere auf den Vokal zu achten: Der Igel, ischll, hat kurzes I, der Kegel, kẹẹschl, langes E. All diese Schreibungen weichen natürlich von der üblichen Duden-Schreibung ab.Die einfache Umschrift ist farblich hervorgehoben und hebt sich so von den wissenschaftlichen IPA- und Teuthonista-Notationen ab: z.B. åkks für das Wort Achse.
Oppels Lautschrift
Oppel versuchte zeit seines Lebens eine Ordnung in seine Sammlung der Frankfurter Vokale zu bringen. Als Nichtgermanist waren ihm die üblichen Systeme unbekannt - so entwarf er eigene kreative Schemata, von denen hier in folgende Schaubild fünf in strukturierter Form wiedergegeben sind [Keil 2017, S. 247].
Bild 1 ist aus Band 1, Faszikel 1; die anderen aus Band II, Faszikel 4 und überschrieben mit Versuch die Vocaltöne in eine zusammenhängende Beziehung zu bringen (alle Zeichnungen sind undatiert). Bild 5 ist annotiert mit mglw. am besten und zeigt Ähnlichkeit mit einer (liegenden) modernen Anordnung. Die von Hand gezeichneten Originale weisen meist nur Oppels Vokalnummern auf, hier sind Oppels übliche Schreibungen (oben) und der angesetzte IPA-Lautwert (unten) ergänzt. Die wesentlichen Vokale, die er systematisch nutzte, sind grau hinterlegt.
Die folgende Tabelle zeigt eine Einordnung der Oppel'schen Vokale in ein modernes IPA-Lautsystem [Keil 2017, S. 246]. Links: Oppels Schreibweise mit Diakritika. Mitte: Nur Oppels Nummern. Rechts: Versuch einer Zuordnung auf IPA-Äquivalente.
Im Wesentlichen stimmt Oppels Vokalinventar mit dem des Hochdeutschen, doch einige Unterschiede fallen auf. So notierte Oppel vier A-Laute bzw. A-Qualitäten, das Hochdeutsche hat nur eine A-Qualität, IPA-[a].
Oppel hörte einen zusätzlichen dunklen A-Laut, den er mit å mit zugeordneter Nummer 11 notierte. Im 19. Jahrhundert entsprach dieser Laut dem offenen IPA-[ɔː]. Im frühen 20. Jahrhundert, also bei Rauh, war das dunkle A mehr dem neutralen [a] genährt und wird im FAWB, phonetisch-phonologisch motiviert, mit dem Lautzeichen [ɑː] gedruckt.
Auch fällt auf, dass Oppel zwischen dem neutralen A, seinem a mit Nummer 1 und einem nur langen, vermutlich helleren palataleren A, seinem a mit Nummer 2, unterschied, wobei dieses dem A aus Monophthongierung vorbehalten bleibt. Oppels neutrales A (Nummer 1), wird hier mit IPA-[a] und das lange A (Nummer 2) mit einem palatisierten [a̟ː] wiedergegeben. Verwirrend ist Oppels alternative Schreibweise des langen Monophthongierungs-A mit einem Ä-Graphem, also ein Ä mit Nummer 2, was damals in Frankfurt durchaus üblich war. Trotz Ä-Schreibung ist aber, durch die Vokalnummer 2 angezeigt, der Lautwert nicht Ä bzw. [ε], was der Nummer 3 bedurft hätte.
Als viertes A kommt noch das lange nasalierte A hinzu, bei Oppel ein A mit nachgestelltem (n), das hier in Anlehnung an das Französische mit [ɑ̃ː] wiedergegeben wird.
Ferner sei darauf hingewiesen, dass Oppel in Normalposition nur jeweils einen I-, U- und O-Laut notierte, seine Nummern 6, 8 und 12.
Übersicht: Lautschrift der Vokale
Oppel | Rauh | IPA | Umschrift | Laut |
---|---|---|---|---|
i / ī | i / iː | i / ii | geschlossenes I | |
ɪ | i | offenes I (hochdeutsch) | ||
e / ē | e / eː | ẹ / ẹẹ | geschlossenes E | |
ϵ | ε | ä | kurzes offenes E | |
ɛ̄ / ɛ̃̄ | εː / ε̃ː | ä / ää / ääñ | langes offenes E (ggfs. nasaliert) | |
æ / æ̅ | æ / æː | ȁ / ȁȁ | überoffenes E vor R | |
- |
ɑ̈ | æ̆ | ä | vokalisiertes -ER |
ɑ / ɑ̃ | a | a | kurzes neutrales A | |
ɑː / ɑ̃ː | aː | aa | langes neutrales A | |
α | a̟ | ạ | kurzes helles/ palatisiertes A | |
ᾱ | a̟ː | ạạ | langes helles/ palatisiertes A | |
ɔ | ɔ | ơ | kurzes dunkles A (Periode 3) | |
a | ɑ / ɑ̃ | å | kurzes dunkles A (Periode 4) | |
ɔ̄ | ɔː | åå | langes dunkles A (Periode 3; ggfs. nasaliert) | |
ā / ā̃ | ɑː / ɑ̃ː | ååñ | langes dunkles A (Periode 4; ggfs. nasaliert) | |
ɑ̆ / ɑ̆̃ | ă̞ / ã̞̆ | überkurzes geschlossenes A | ||
ɔ / ɔ̄ / ɔ̃̄ | ɔ / ɔː / ɔ̃ː | ǫǫñ | geöffnetes O vor R und Konsonant (ggfs. nasaliert) | |
ǫ / ǭ / ǫ̃̄ | o̞ / o̞ː / õ̞ː | ơ / ơơ / ơñ | geöffnetes O vor R | |
o / ō | o / oː | o / oo | geschlossenes O | |
ö / ȫ | œ / øː | ö / öö | Ö (hochdeutsch) | |
u / ū | u / uː | u / uu | geschlossenes U | |
ü / ǖ | ʏ / yː | ü / üü | Ü (hochdeutsch) | |
ə | ə | ě | E-Schwa | |
-r- | ʀ / [ʀ] | ɐ̯ | ǎ | A-Schwa |
ɑi | aɪ | ai | AI | |
ãi | ɑ̃ɪ | åiñ | dunkles nasales AI | |
ɑu | aʊ | au | AU | |
ɔɪ | ơi | OI (Periode 2) | ||
oi | oɪ | ě | OI (Periode 4) |
Übersicht: Lautschrift der Frankfurter Konsonanten
Umschrift | Rauh Teuthonista | IPA | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
stimmlos | stimmhaft | stimmlos | stimmhaft | stimmlos | stimmhaft | |
Fortis-P | p | p/ph | p/ph | |||
Lenis-B | b | b | b̥ | |||
Fortis-F | f | f | f | |||
Lenis-F | v | v | v̥ | |||
Lenis-W | w | w | v | |||
Fortis-T | t | t/th | th | |||
Lenis-D | d | d | d̥ | |||
Fortis-S | s | ś | s | |||
Lenis-S | s | s | z̥ | |||
Fortis-SCH | sch | š́ | ʃ | |||
Lenis-SCH | sch | š | ʒ̥ | |||
Fortis-Koronal. | sch | ɕ | ||||
Lenis-Koronal. | sch | ʑ̥ | ||||
Fortis-iCH | ch | ç | ||||
Lenis-iCH | ch | ʝ̥ | ||||
J | j | j/i̯ | j/i̯ | |||
Fortis-k | k | k/kh | k/kh | |||
Lenis-G | g | g | g̥ | |||
Fortis-aCH | ch | x́ | x | |||
Lenis-aCH | ch | x | ɣ̥ | |||
Zahn-R | r | |||||
Zäpfchen-R | r | ʀ | ʀ | |||
M | m | m/m̥ | m/m̩ | |||
N | n | n/n̥ | n/n̩ | |||
NG | ng | ŋ | ŋ | |||
L | l | l/l̥ | l/l̩ | |||
H | h | h | h |